Das Interview mit Tom Thiele
Wie beschreiben Sie die Entwicklung des Immobilienmarkts in Kroatien in den vergangenen 5 Jahren?
Der Immobilienmarkt in Kroatien ist seit 2008 von drei Hauptfaktoren geprägt:
- 1. einer stark gesunkenen ausländischen Nachfrage nach Immobilien aufgrund der internationalen Wirtschaftskrise
- 2. einer minimalen inländischen Nachfrage als Folge der bereits seit 6 Jahren andaurnden Rezession in Kroatien
- 3. verschiedener neuer Gesetze und Bestimmungen aufgrund des EU-Beitritts Kroatiens im Juli 2013
Aufgrund der Wirtschaftskrise ist die Nachfrage bei traditionellen Käufergruppen wie Engländern, die bis 2008 vor allem Steinhäuser in Istrien gekauft hatten, fast komplett eingebrochen. Unsicherheit bezüglich der Legalität von Immobilien in Kroatien und der Entwicklung der Wirtschaftskrise hat zudem potenzielle Investoren aus anderen Ländern davon abgehalten, in Zweitimmobilien in Kroatien zu investieren.
Das Preisniveau der angebotenen Immobilien ist im Durchschnitt um ca. 30% gefallen. Verbleibende Kaufinteressenten, auch aus deutschsprachigen Ländern, sind immer mehr zu “Schnäppchenjägern” geworden.
Gleichzeitig hat das Angebot an Immobilien stark zugenommen da viele Kroaten aufgrund der Rezession ihre Immobilien verkaufen wollen oder müssen. Ein Hautpgrund lag in Bankkrediten die zur Finanzierung aufgenommen wurden, sich aber aufgrund eines sehr ungünstig ansteigenden Wechselkurses der Kuna zum Schweizer Franken stark verteuert hatten. Zum anderen haben viele Kroaten ihren Job verloren oder wurden weniger oder zum Teil auch gar nicht mehr bezahlt.
Um finanziell dennoch zurecht zu kommen, versuchen daher viele, ihre Immobilie zu verkaufen (ca 70% der Kroaten besitzen eine eigene Immobilie). Allerdings führt eine “jetzt erst recht” Mentalität haufig dazu, Immobilien hochpreisig veräussern zu wollen.
Im Zuge des EU-Beitritts hat der Gesetzgeber viele neue Gesetze und Bestimmungen erlassen, die den Immobilienmarkt betreffen. So dürfen seit dem 01.07.2013 Immobilien nur noch mit einem gültigen Energieausweis veräussert werden. Zudem wurden ca. 800,000 Anträge zur Legalisierung eines Teils oder der gesamten Immobilie eingereicht, bisher aber nur ca. 10% davon bearbeitet.
Wie ist der aktuelle Stand auf dem Immobilienmarkt in Kroatien? Immobilie jetzt kaufen?
Kroatien hat in den letzten Jahren, vor allem auch wegen des EU-Beitritts, sehr viel internationale Aufmerksamkeit erhalten. So wurde das Land bzw. seine Regionen mehrfach von verschiedenen Publikationen und Mitgliedern verschiedener Portale als Destination insgesamt oder aufgrund verschiedener Aspekte wie des Weins, der Küche und anderer Faktoren unter die Top 10 weltweit gewählt. Mittlerweile ist Kroatien international ein Begriff.
Als Urlaubsland werden jedes Jahr neue Rekorde erzielt, auch 2014 wieder. Dieses Jahr sind zum ersten Mal bereits Touristen aus über 70 Ländern in Kroatien gewesen. Neben den traditionellen Ländern sind die Steigerungsraten insbesondere von anderen Ländern wie China, Japan, Brasilien etc. besonders hoch. Gleichzeitig bieten immer mehr Fluggesellschaften Flüge nach Kroatien und zu verschiedenen Flughäfen und Jahreszeiten an.
All diese Aspekte führen dazu, dass Kroatien immer bekannter wird und sich immer mehr Investoren für Kroatien interessieren und hier recherchieren. Auch Grossinvestoren wie die Saudische Familie sind verstärkt in Kroatien anzutreffen und an Investitionen vor allem im Tourismusbereich interessiert. Ikea eröffnet am 21. August 2014 sein erstes Geschäft in Kroatien.
Da gleichzeitig die Durchschnittspreise für Immobilien auf einem Tiefstand wie von vor ca. 10 Jahren sind, hat die Nachfrage seit dem Frühjahr wieder zugenommen. Allerdings herrscht zum Teil Ernüchterung bei Kaufinteressenten und bei Anbietern, die jeweils eine unrealistische Vorstellung vom möglichen Verkaufspreis haben.
Wie auch im Tourismusbereich ist Kroatien schon lange kein “Billigland” mehr, auch nicht für Immobilien. Das sollte aber auch nicht verwundern, wenn Kroatien wie erwähnt ähnlich wie oder auch höher bewertet wird als Regionen wie Frankreich, Italien oder auch Kalifornien (beim Wein).
Die Frühjahrsprognose 2014 der Europäischen Kommission beschrieb dass Immobilien in Kroatien bis zu 20% unter Wert angeboten werden! Dem können wir uns nur anschliessen. Wer sich für eine Immobilie in Kroatien interessiert, kann jetzt von den relativ niedrigen Preisen profitieren. Zudem weil in puncto Legalität von Immobilien und dem möglichen Erwerb durch verschiedene Staatsbürger inzwischen kaum oder keine Unterschiede zu anderen EU-Ländern bestehen.
Wie ist ihre persönliche Prognose für den Immobilienmarkt in Kroatien?
Wir sind immer wieder von Basisfaktoren beeindruckt, die Kroatien aufweisen kann, die in anderen Ländern aber nicht unbedingt oder gar nicht vorhanden sind. Da ist natürlich das angenehme mediterrane Klima, die Reinheit der Luft und das saubere Wasser der Adria. Aber auch die geringe Bevölkerungsdichte, die wunderschöne Natur, die sehr guten Strassen, die hohe Sicherheit die man überall geniesst und vieles mehr. Dies sind alles Aspekte die immer mehr an Bedeutung gewinnen, vor allem bei Leuten denen diese Dinge wichtig im Leben sind.
Meiner Meinung nach äussert sich die Wertschätzung davon in den stetig steigenden Urlauberzahlen. Ein bestimmter Anteil von so entstehenden “Kroatien Fans” wird sicherlich daran interessiert sein, einen Teil des Landes sein Eigentum zu nennen und so vermehrt auch zu anderen Saisonzeiten zu geniessen.
So verwundert es uns nach wie vor, wenn wir bei herrlichem Wetter im Frühling, Herbst oder Winter durch Istrien und Kvarner fahren und nur wenige Autos überhaupt auf den Strassen zu finden sind. Geschweige denn von Leuten abseits der Strassen. Ich sehe den Immobilienmarkt in Kroatien sich sehr differenziert entwickeln.
Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Objekten in Küstennähe und verstärkt vor allem auch im Landesinneren wird sicherlich stark zunehmen. Die Preise für solche Objekte werden entsprechend steigen. Toplagen wie Dubrovnik und Rovinj werden sich als noch teurere Pflaster zeigen als sie bereits schon sind. Dort werden vermehrt bestehende alte Häuser in guten Lagen gekauft, abgerissen und durch neue Häuser ersetzt werden.
Es wird überall mehr Käufer von Ferienhäusern geben die diese teilweise selbst nutzen und teilweise selbst vermieten werden, jetzt wo dies immer leichter wird, auch via eigener Vermarktung im internet. Zudem wird Land, Agrar- und Bauland, wieder vermehrt nachgefragt werden. Immer mehr Leute beabsichtigen einen “Ausstieg” aus dem stressigen Leben in Grossstädten und planen einen Einstieg in ein “Landleben” mit alternativen Lebensweisen und –objekten. Immer mehr ältere Leute werden sich für einen Ruhesitz im warmen Kroatien interessieren.
Wenn sich in ein paar Jahren neu erbaute Objekte mehr und mehr kaum noch von denen in anderen Ländern unterscheiden, werden bestimmt auch wieder authentische Steinhäuser und “besondere Immobilien” verstärkt nachgefragt werden.
Allerdings sehe ich auch sehr harte Zeiten für Immobilien kommen, die der Markt “aussieben wird”. Hierzu zählen schlecht erbaute Ferienwohnungen (auch von Investoren, die bereits pleite gegangen sind oder dies in den nächsten Jahren erfahren werden), typische von Kroaten häufig selbst erbaute Mehrfamilienhäuser die für mehrere Generationen gedacht und nun auch aufgrund ihrer Grösse hochpreisig angeboten aber keine Käufer finden werden, zudem viele Objekte die aufgrund der nie zu lösenden Eigentümerverhältnisse auch in Zukunft wie Relikte anderer Epochen in Kroatien zu finden sein werden.
Was hat sich Ihrer Meinung nach durch den Beitritt Kroatiens in die EU auf den Immobilienmarkt verschlechtert bzw. verbessert?
Temporär hat sich der Immobilienmarkt aufgrund der oben beschriebenen Komplexität durch den Wandel und die Verwirrung bezüglich der Zukunft des neuen EU Landes eher verschlechtert. In den nächsten Jahren wird der bisher bestehende Unterschied im Immobilienmarkt von Kroatien zu Ländern wie Deutschland allerdings mehr und mehr schwinden. Leider wird so Kroatien auch etwas an seiner Originalität einbüssen.
Inzwischen ist auch die Einreise nach Kroatien kaum noch ein Thema, das Land rückt immer “dichter” an Europa in allen Beziehungen auch wegen der möglichen Flüge. So werden Eigentümer von Immobilien auch aus anderen Ländern zu einem verlängerten Wochenende oder zum Kurzurlaub zu ihrem Domizil in Kroatien reisen.
Der Erwerb von Immobilien in Kroatien ist mithilfe eines kompetenten Maklers, der angebotene Objekte vorab auf seine Legalität prüft, schon jetzt ähnlich einfach bzw. genauso schwierig wie in anderen Ländern auch. Aufgrund des EU-Beitritts werden viele neue Projekte finanziell gefördert (werden), von der Renovierung alter Häuser, zur Unterstützung bei kleinen und grossen Tourismusprojekten und der Hilfe mit Dingen wie dem digitalen Katasterwesen.
Was könnte die Kroatische Regierung verbessern um den Immobilienmarkt für Kaufinteressierte noch attraktiver zu machen?
Die Kroatische Regierung sollte alles tun, um die ca. 700.000 noch nicht bearbeiteten Legalisierungsanträge sehr zügig abzuarbeiten. So wird schneller eine Transparenz im Markt entstehen, welche Immobilien legal bzw. illegal sind. Zudem sollte sie verschärft gegen illegale Anbieter von Immobilien vorgehen. Viele nicht zur Immobilenvermittlung lizenzierte Individuen bieten nach wie vor Immobilien in Kroatien an als ob dies völlig normal und legal sei.
Diese werden im Gegensatz zu lizenzierten Maklern nicht überprüft, haben keine Ausbildung (und die zur Lizenz notwendigen Fortbildungsseminare) und sind für eventuelle Schäden auch nicht haftbar. Dennoch sind sie im Markt auch schätzungweise zahlenmässig genauso aktiv wie lizenzierte Makler. Die Kenntnisse und Auskünfte bzw. die Integrität solcher Leute ist grösstenteils haaresträubend!